Mittwoch, 19. September 2012

eine email; ein ansatz

Sehr geehrter Herr D.!
Ich war vorletztes Wochenende beim Hiv im Dialog und habe mich sehr über einen Punkt gefreut, auf den Sie im Gespräch am Abend in der Runde eingegangen sind, nämlich die Verbindnung zwischen normierender Prävention und Schuldgefühlen bei Hiv-Positiven. Ich bin selber dabei, diesen Komplex zu durchdenken. Ich überlege mir, ob nicht den Normverstoß, den Hiv-Positive durch den zumindest einmaligen ungeschützten Geschlechtsverkehr begangen haben, ein wesentlicher Teil des heutigen Hiv-Stigmas ausmacht.
Im alten AIDS schien dies vielmehr um das Offenbaren, dass der Infizierte wohl einer der schon an sich stigmatisierten Risikogruppen zugehörig war, zu drehen. Innerhalb dieser Gruppe wurde weniger Schuld und Stigma verbreitet, da ja alle im Grunde gleich gehandelt haben (sprich ungeschützten Sex gehabt haben) und ohnehin von dem Stigma als Teil einer Randgruppe betroffen waren. Beispielsweile waren die meisten Schwulen gegen das Stigma, das schwule Hiv-Positive betraf, weil es auf der Grundlage von Schwulenhass fußte.
Durch die Prävention und die soziale Aufwerung betroffener Randgruppen scheint mir wahrscheinlich, dass eine Verschiebung des Stigmas stattgefunden hat, vom Sosein auf das Handeln des Einzelnen. Dieser Veränderung scheint mir sinnvoll, nachzugehen. Außerdem zu untersuchen, inwiefern eine normierende Prävention existiert, und wenn ja, wie und wo sie normierend wirkt, und wie eine Prävension noch auszusehen hat, wenn wir nicht in Kauf nehmen wollen, dass sie sich, wo wir denke ich ziemlich einig sind, in einem Schuldgefühl (durch den oben genannten Normverstoß) und in der Verlängerung im Stigma der Hiv-Positiven niederschlägt.
Wissen Sie, wo eine Auseinandersetzung mit diesem Komplex stattfinden? Wie sieht es aus im akademischen Bereich? Ich kenne selber keine Veröffentlichungen, die dies zum Thema machen.
Viele Grüße,
B. G.

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