Sehr geehrter Herr D.!
Ich war
vorletztes Wochenende beim Hiv im Dialog und habe mich sehr über einen
Punkt gefreut, auf den Sie im Gespräch am Abend in der Runde eingegangen
sind, nämlich die Verbindnung zwischen normierender Prävention und
Schuldgefühlen bei Hiv-Positiven. Ich bin selber dabei, diesen Komplex
zu durchdenken. Ich überlege
mir, ob nicht den Normverstoß, den Hiv-Positive durch den zumindest
einmaligen ungeschützten Geschlechtsverkehr begangen haben, ein
wesentlicher Teil des heutigen Hiv-Stigmas ausmacht.
Im alten AIDS
schien dies vielmehr um das Offenbaren, dass der Infizierte wohl einer
der schon an sich stigmatisierten Risikogruppen zugehörig war, zu drehen.
Innerhalb dieser Gruppe wurde weniger Schuld und Stigma verbreitet, da
ja alle im Grunde gleich gehandelt haben (sprich ungeschützten Sex
gehabt haben) und ohnehin von dem Stigma als Teil einer Randgruppe betroffen waren. Beispielsweile waren die meisten Schwulen gegen das Stigma, das schwule Hiv-Positive betraf, weil es auf der Grundlage von Schwulenhass fußte.
Durch die Prävention und die soziale Aufwerung
betroffener Randgruppen scheint mir wahrscheinlich, dass eine
Verschiebung des Stigmas stattgefunden hat, vom Sosein auf das Handeln
des Einzelnen. Dieser Veränderung scheint mir sinnvoll, nachzugehen.
Außerdem zu untersuchen, inwiefern eine normierende Prävention
existiert, und wenn ja, wie und wo sie normierend wirkt, und wie eine
Prävension noch auszusehen hat, wenn wir nicht in Kauf nehmen wollen,
dass sie sich, wo wir denke ich ziemlich einig sind, in einem
Schuldgefühl (durch den oben genannten Normverstoß) und in der Verlängerung im Stigma der Hiv-Positiven
niederschlägt.
Wissen Sie, wo eine Auseinandersetzung mit diesem Komplex stattfinden?
Wie sieht es aus im akademischen Bereich? Ich kenne selber keine
Veröffentlichungen, die dies zum Thema machen.
Viele Grüße,
B. G.
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